DER WOHL GUT GEMEINTE, ABER OFT SCHLECHTESTE RAT
- Christine Rautschka

- 24. Juni
- 1 Min. Lesezeit
Einer der am weitest verbreiteten, aber auch am meisten missverstandene Ratschlag im zwischenmenschlichen Umgang ist: "Gib gute Ratschläge!". Die Absicht dahinter ist nachvollziehbar: man möchte helfen, Lösungen aufzeigen, Erfahrungen teilen. Doch genau hier liegt das Problem: Ratschläge basieren immer auf der Perspektive des Gebenden, nicht auf der des Suchenden. Was für den einen hilfreich ist, kann für den anderen unpassend sein.
Der entscheidende Irrtum liegt darin zu glauben, man könne für jemand anderen eine Antwort liefern. In Wahrheit kann jeder Mensch nur selbst die für sich stimmige Antwort finden, im Einklang mit seiner eigenen Geschichte, seinen Gefühlen, Bedürfnissen und Zielen. Alles andere bleibt eine Fremdmeinung, selbst wenn sie gut gemeint ist.
Die Kunst besteht also nicht darin, Antworten zu geben, sondern Fragen zu stellen. Und zwar die richtigen. Fragen, die zum Nachdenken anregen, zum Reflektieren ermutigen und den inneren Prozess aktivieren. Es geht darum, einen Raum zu schaffen, in dem der andere sich selbst begegnet und die eigenen Lösungen entdecken kann.
Wer wirklich helfen will, führt den anderen, achtsam und offen, zu seinen eigenen Einsichten. Das braucht Geduld, Vertrauen und die Fähigkeit, sich zurückzunehmen. Statt zu sagen: „Ich an deiner Stelle würde …“ ist es hilfreicher zu fragen: „Was brauchst du gerade?“, „Was hindert dich?“ oder „Was wäre ein erster kleiner Schritt für dich?“
Ein Ratschlag bleibt letztlich genau das, was es ist: ein Schlag. Echte Unterstützung erkennt man daran, dass sie stärkt und nicht lenkt.




